Wiederbelebung des Altstadtfestes: Stellungnahmen der Ratsgruppe

2004 fand nach 29 Jahren zum letzten Mal das große Göttinger Altstadtfest statt.
Das Indoor Altstadtfest, das zwischen 2007 und 2014 veranstaltet wurde, sollte in der Tradition und im Gedenken an das Göttinger Altstadtfest durchgeführt werden. Beide Feste gibt es inzwischen nicht mehr und der Wunsch nach einer Wiederbelebung des Altstadtfestes mündete nun in einer Petition, die viele Unterstützer fand und weiter findet.

Auch die beiden Mitglieder der PIRATEN-Fraktion im Rat der Stadt Göttingen, Dana Rotter und Francisco Welter-Schultes, erachtet das Vorhaben grundsätzlich als unterstützenswert, sofern bestimmte Kriterien erfüllt werden. Wie die beiden untenstehenden Stellungnahmen zeigen.

Dana Rotter:

„Die Wiederbelebung des Göttinger Altstadtfestes ist wünschenswert und ein gutes Ziel.
Allerdings wird es in seiner ursprünglichen Form kaum umsetzbar sein.
Denn zum Niedergang des Altstadtfestes hat mehr geführt, als eine reine Lärmklage – die im übrigen von der Stadt hätte verhindert werden können.

Gerne würde ich mich mit den Petitionsinitatoren Daniel Schirmer & Jacqueline Metge zusammensetzen und über das Vorhaben sprechen. Nehmen Sie gerne Kontakt auf: dana.rotter@pprgoe.de

Ein kleiner Überblick/Hintergrund zum Altstadtfest:
Von 1975 bis 1996 war die Stadt Göttingen, genauer das Kulturamt (heute Fachdienst Kultur), Veranstalter des Altstadtfestes. Als die Stadt diese Aufgabe nicht mehr übernehmen konnte/wollte, suchte sie nach einem privaten Veranstalter und fand diesen in der Altstadtfestorganisationsgesellschaft Frank Michel und Erhard Buuck GbR, kurz AOG. Diese richtete von 1997 bis 2002 das Altstadtfest aus. 2003 übernahm, in gleicher Besetzung, einmalig die Göfest GmbH. Im Jahr 2004, dem letzten Jahr des Altstadtfestes, war die BK Gastro Catering Betriebs- und Beteiligungsgesellschaft Veranstalter.
Warum die häufigen Veranstalterwechsel nach 1997?
Jeder Veranstalter konnte das Altstadtfest nicht gewinnbringend durchführen und musste Insolvenz anmelden.
Schuld daran waren viele Faktoren. Um nur einige zu nennen (Stand 2007): das 630-DM-Gesetz, das zum 1.4.1999 über Nacht zu einer Steigerung der Lohnkosten im Bereich geringfügiger Beschäftigung um zunächst unmittelbar 25 % zzgl. Umlagen der Krankenkassen etc. und darauf zu entrichtender BG-Abgaben usw. führte, die USt.-Erhöhung zum 1.4.1998 auf 16%, Inflation, Öko-Steuer, Energiepreissteigerung und immer höhere Müllbeseitigungskosten. Dazu kam die Umstellung von DM auf den Euro zum 1.1.2002, bei der die kommunalen Gebühren (Genehmigungen, Abnahmen usw.) sofort 1:1 übernommen wurden (also knapp 100% Erhöhung!), eine Erhöhung der GEMA-Abgaben seit 1995 um 30 % sowie eine Steigerung der Künstlersozialkasse-Abgabesätze für Verwerter um 150 % seit 1995. Auch das Mitbringen selbst gekaufter Getränke führte zu einem Einnahmen- und damit Sponsorenverlust, zumal durch Änderung des Ladenschlussgesetzes, so dass zu Festbeginn noch „nebenan“ die Märkte billig Getränke verkauften. Ein k.o.-Schlag, denn aus den Getränkeeinnahmen wurden die Bühnenprogramme finanziert.
In den vergangenen zehn Jahren sind die eben genannten Kosten weiter gestiegen und es kam das Mindestlohngesetz hinzu.

Wer sich wünscht, dass es das große Altstadtfest in Göttingen wieder gibt, sollte diese Faktoren nicht unterschätzen. Denn die Verteuerungen bei GEMA und KSK haben seitdem weiter zugenommen. Hinzu kommt auch der gesetzliche Mindestlohn.
Die Stadt Göttingen kann dabei nur bedingt helfen. Es scheint mehr als unwahrscheinlich, dass sie wieder als Veranstalter agieren wird.
Gerne setzen wir uns aber dafür ein, dass sie als Kooperationspartner auftritt, sollte sich ein Veranstalter finden. Das heißt, die Stadt könnte, wie beim NDR Soundcheck Festival, Kosten für Absperrungen usw. übernehmen, günstige Standgebühren erheben und Sondergenehmigungen erteilen.
Diese könnte auch für den Markt ausgegeben werden, so dass auch dort, trotz des Urteils vom 23.02.2005, Live-Musik nach 22 Uhr stattfinden kann. Solche Sondergenehmigungen können immerhin auch zu anderen Ereignissen erteilt werden (man denke an die bundesweite Aufhebung der Sperrstunde zur WM), dann sollte es für das Altstadtfest ebenfalls kein Problem sein bzw. eine Anpassung des Konzepts könnte ebenfalls zu einem positiven Effekt bezgl. Lärmproblematik führen.

Wer sich ausführlich über das Altstadtfest informieren möchte, kann sich hier eine Broschüre herunterladen, die anlässlich des 1. Indoor Altstadtfestes von einem Co-Veranstalter des Altstadtfestes zusammen gestellt wurde:
kreuzbergonkultour.jimdo.com/veranstaltungen/indoor-altstadtfest/

 

Francisco Welter-Schultes:

„Als Ratsmitglied kann ich nur Entscheidungen über Vorgänge treffen, die konkret anstehen und in die Zuständigkeit des Rates fallen. Beides ist hier nicht der Fall. Für ein Altstadtfest müsste sich zunächst ein Betreiber finden, der das Fest wirtschaftlich ausrichten kann. Ich wäre nicht dafür, dass die Stadt es ausrichtet, aber das ist in der Petition auch nicht gefragt. Ein möglicher privater Betreiber könnte, wenn er wollte, bei der Stadt dann anfragen, ob sie ihn logistisch und/oder finanziell unterstützt. Erst dann wäre unter Umständen der Rat der Stadt zuständig, man könnte sich im Fachausschuss das Konzept erläutern lassen und ich könnte mir unter Abwägung der konkret angefragten Punkte eine Meinung dafür oder dagegen bilden. Es ist aber kein Betreiber und kein Konzept in Sicht.

Mit der Lärmproblematik scheint es wenig zu tun zu haben, sondern viel mehr mit den hohen Kosten und der mangelnden Wirtschaftlichkeit. Unter dem Strich scheint es heute im Gegensatz zur Situation bis in die 1990er Jahre nicht mehr möglich zu sein, so ein Fest gewinnbringend zu veranstalten. Vermutlich müssten wir am Ende über städtische Zuschüsse in bedeutender Höhe sprechen, die dann anderswo im Kulturbereich fehlen würden.
Erst dann wäre der Zeitpunkt, wo ich wirklich sagen könnte, ich wäre dafür oder dagegen. Ich habe also mit Enthaltung gestimmt. Man konnte zustimmen, ablehnen, enthalten oder „Keine Stellungnahme“ auswählen.“