Der Göttinger Rat hat sich konstituiert

Am Freitag, dem 12.11.21 hat sich der Göttinger Rat neu konstituiert, die Oberbürgermeisterin Petra Broistedt wurde vereidigt und die Ausschussverteilung wurde festgelegt. Zusammen mit der FDP, der Göttinger Linke/ALG-Ratsgruppe, den Grünen und Ratsherr Welter Schultes haben wir unseren ersten Antrag eingebracht: „Forderung an die Landesregierung zur Änderung des §71 des NKom VG“. Dieser wurde mit einer knappen Mehrheit gegen SPD und CDU angenommen.

Unser Ratsherr Till Jonas Hampe hat zu diesem Antrag seine erste Rede im Göttinger Rat gehalten, die ihr hier nachlesen könnt:

Sehr geehrte Mitglieder des Rates,

werte Oberbürgermeisterin und vor allem alle Menschen, die in Göttingen leben,

Die Entscheidung des Niedersächsischen Landtages zu einer Einführung des D’Hondtverfahrens war für mich nicht nur als Vertreter einer Kleinstpartei, sondern auch als überzeugten Demokraten erschreckend. Die Gesellschaft der Bundesrepublik profitiert in kommunalen wie auch in bundesweiten Vertretungen von einem Parteienpluralismus, der die Verschiedenheit der Meinungen und Haltungen der Menschen würdigt und eine Beteiligung auch im Sinne solcher Inhalte und Vorstellungen von Politik ermöglicht, die gegenwärtig keine Stimmmehrheiten erringen. Denn das soll eine repräsentative Demokratie – die Menschen repräsentieren, und diesen Auftrag sehe ich durch die Entscheidung des Niedersächsischen Landtages gefährdet. 

Obwohl der Minister für Inneres und Sport Boris Pistorius darauf hingewiesen hat, dass das d’Hondtsche Höchstzählverfahren seit Jahrzehnten verfassungsrechtlich anerkannt ist, bedeutet das nicht, dass es auf die Vergabe von Stimmrechten in kommunalen Ausschüssen angewandt werden sollte. Es auf diese Weise analog zu übertragen, überträgt nicht seinen etwaigen Nutzen andernorts, sondern pervertiert die Vergabe der Stimmrechte zugunsten einer Machtkonzentration auf wähler*innenstarke Parteien und zulasten einer konsequenten und gerechten Abbildung des Wähler*Innenwillens.

Göttingen ist eine Stadt, die in vielen Bereichen als Begegnungsort von Menschen und ihren Meinungen einen großen Beitrag für die Gesellschaft leistet. Gerade hier keine deutliche Unterstützung für beteiligenden Umgang mit der Verschiedenheit derselben zu zeigen, sondern diesen auf einige wenige Parteien zu konzentrieren, hielte ich insgesamt für beschämend.  Dem vorliegenden Antrag zuzustimmen, ist ein Bekenntnis zur Demokratie und zum Parteienpluralismus und damit zum Wähler*Innenwillen als solchen. Als gewählte Mitglieder des Stadtrates sind wir aufgerufen, im Interesse aller Menschen, die in Göttingen leben, zu handeln und ihren Willen, ihre Interessen anzuerkennen und ernstzunehmen.

Es ist für mein pluralistisches Demokratieverständnis unabdingbar anzunehmen, dass eine Abbildung dieser Interessen und dieses Willens kein Privileg sein sollte, sondern ein bestehendes und geltendes Recht. Eine Aussprache zur Fortführung des Hare-Niemeyer-Verfahrens und eine klare Stellungnahme gegen das D’Hondt-Verfahren durch den Stadtrat Göttingens sind meiner Ansicht nach daher mehr als nur wünschenswert; vielmehr sehe ich darin die Pflicht aller Mandatsträger*innen, die die Abbildung des Wähler*innenwillens und der Verschiedenheit der politischen Landschaft höher schätzen als die Angst vor einer Zerfaserung demokratischer Gremien.  

Ich bitte Sie, Ihre Stimme für den vorliegenden Antrag abzugeben. Vielen Dank.

Hier findet ihr uns in der 2. Reihe von oben ganz links: